Nelles: Warum auch immer, suche nicht nach Erklärungen. Ich sage dir jetzt mal etwas ganz Allgemeines: Das, was wir wollen, erkennen wir an dem, was wir tun. Anders gesagt: Du bleibst bei deiner Frau, weil du es so willst, und du hast deine Freundinnen, weil du das auch so willst.
Johannes: Das ist aber heftig!
Nelles: Ja. Nimm das einfach mal, spüre mal, wie es sich anfühlt, wenn du alles Fragen nach Warum weglässt und einfach siehst, dass es so ist. Wenn du nach Erklärungen suchst, warum du etwas tust, was du vermeintlich nicht möchtest, bist und bleibst du immer das Opfer von Umständen, die dich gegen deinen – vermeintlichen – willen an etwas fesseln oder zu etwas zwingen. Da bist du fein raus, du kannst ja nichts dafür. Die Kehrseite ist, dass du dann auch nichts ändern kannst. Wenn du aber siehst, dass du es genau so willst, wie es ist, dann liegt alles bei dir, die ganze Verantwortung.
Johannes: Das stimmt, das spüre ich. Aber es ist heftig.
Nelles: Es ist erwachsen.
Johannes: Ah ja?! Ich hatte eine sehr schwierige Jugend. Meine Eltern waren sehr liebe Menschen, sie haben mir alle Freiheiten gelassen und hatten für alles Verständnis. Ich bin sehr viele Irrwege gegangen und habe viel Unsinn gemacht. Ich …
Nelles: Ich will nicht wissen, was du gemacht hast. Ich schlage dir nur eine kleine Sprachänderung vor. Lass das „Irr“ vor den „Wegen“ und den „Unsinn“ mal weg. Woher willst du wissen, was richtig und was falsch war? Woher willst du wissen, ob nicht das sogenannte Falsche für dich wichtig war? Also: „Ich bin viele Wege gegangen und habe viele Erfahrungen gemacht“.
Johannes (erstaunt): Also keine Wertungen.
Nelles: Genau. Wie fühlt sich das an?
Johannes: Gut, sehr gut.
Nelles: Damit entsteht Frieden in dir, Frieden mit dir selbst und dem Jugendlichen oder jungen Mann von damals.
Johannes: Stimmt.
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Ausschnitt aus: Wilfried Nelles. Alles ist Bewusstsein ist alles. Zur Psychologie der Gegenwart. Essays, Gespräche, Aphorismen. Innenwelt Verlag, 2016.